Liebe Kolleginnen und Kollegen,sehr geehrte Damen und Herren, |
am 22.03.2024 hat der Bundestag kurzfristig über einen Gesetzesentwurf der Bundesregierung debattiert, mit welchem die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern im BetrVG präzisiert werden soll. Die Neuregelung soll Rechtssicherheit schaffen, nachdem ein Urteil des BGH zur Betriebsratsvergütung im letzten Jahr für große Verunsicherung gesorgt hatte. Im Sonderbeitrag „Update zur Betriebsratsvergütung“ stellen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung vor.
In unserer Rubrik „Ein-Blick“ stellen wir einen spannenden Fall vor, den die Verfasserin kürzlich vor dem BAG erfolgreich verhandelt hat. Dabei ging es um die Frage, ob einer Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, wenn der Arbeitgeber vorträgt, dass der Arbeitsplatz aufgrund der Umstrukturierung weggefallen sei und der Arbeitnehmer namentlich in einem Interessenausgleich benannt ist. Das BAG hatte u. a. die Fragen zu klären, ob die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG auf diesen Sachverhalt analog anwendbar ist und ob durch die Einlegung der Klage auf Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit die Ausschlussfrist für die Vergütungsansprüche gewahrt wird, wie es bei der Kündigungsschutzklage der Fall ist.
Nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats beantragen, wenn eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats vorliegt. Ob dieses auch möglich ist, wenn statt einer gravierenden Pflichtverletzung eine Vielzahl an kleineren Pflichtverletzungen vorliegt, hatte das Arbeitsgericht Elmshorn zu entscheiden. Den Fall, die Entscheidung des Gerichts und unsere rechtliche Bewertung und stellen wir in der Rubrik „Betriebsräte“ vor.
In der Rubrik „Arbeitnehmer“ befassen wir uns mit einem Urteil des LAG Nürnberg. Das Gericht hatte die Fragen zu klären, ob neben innerbetrieblichen Wege- und Umkleidezeiten auch Körperreinigungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeiten anzusehen sind.
Im „Kurzüberblick“ haben wir weitere für die Betriebsratsarbeit praxisrelevante Gerichtsentscheidungen aus dem individuellen und kollektiven Arbeitsrecht zusammengestellt.
Schließlich bitten wir darum, sich den Mittwoch, 12. Juni 2024 vorzumerken. An diesem Tag findet von 11 bis 17 Uhr unser Kanzleigespräch in Oldenburg statt. Schwerpunktthemen sind Mitbestimmung des Betriebsrates bei beruflicher Weiterbildung und Qualifizierung sowie Aktuelle Rechtsprechung im Betriebsverfassungsrecht. Wie immer handelt es sich um eine kostenlose Veranstaltung. Nähere Informationen auch zur Anmeldung folgen in einer gesonderten Einladung. Wir freuen uns, Sie/Euch zahlreich in Oldenburg zu begrüßen.
Bis dahin wünschen wir viel Vergnügen bei der Lektüre des Newsletters.
Eure/Ihre schwegler rechtsanwälte
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Update zur Betriebsratsvergütung lesen ➔ |
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Keine analoge Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG bei Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit lesen ➔ |
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Auflösung des Betriebsrats wegen einer Vielzahl von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzungen lesen ➔ |
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Kurzüberblick über Entscheidungen
Arbeitgeber muss auch bei inhaltsgleichem Online-Seminar die Zusatzkosten für das Präsenzseminar übernehmen
Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme – keine Mitbestimmung des Betriebsrates
Fristlose Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstandes bei Weiterleitung an private E-Mail-Adresse
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Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit lesen ➔ |
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Kurzüberblick über Entscheidungen
Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen
Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Abrufarbeit ohne vertragliche Festlegung
Kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit – Arbeitnehmer können verpflichtet sein, dienstliche SMS in der Freizeit zu lesen
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Update zur Betriebsratsvergütung - Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes |
I. Ausgangslage
Das BetrVG verbietet es, Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit zu benachteiligen oder zu begünstigen. Das gilt auch für ihre berufliche Entwicklung und das Arbeitsentgelt. Betriebsräte sind von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, soweit sie Betriebsratsarbeit in erforderlichem Umfang ausüben; sie dürfen nicht weniger verdienen „als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“.
Für große Verunsicherung gesorgt hatte Anfang 2023 das Urteil des 6. Strafsenats des BGH, in welchem es hieß, dass der Straftatbestand der Untreue erfüllt sein kann, wenn der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt (Urteil v. 10.1.2023 – 6 StR 133/22). Um negative Folgen für die betriebliche Mitbestimmung insgesamt auszuschließen, hat die Bundesregierung beschlossen, die gesetzlichen Vorgaben im BetrVG auf Basis der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weiter zu präzisieren, ohne dabei die Möglichkeit der Aufklärung und Ahndung von Verstößen gegen das Begünstigungsverbot einzuschränken. Durch eine präzisere Regelung soll das Risiko von Verstößen redlich handelnder Arbeitgeber und betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot reduziert werden. Dieses will die Bundesregierung durch klarstellende Ergänzungen der Regelungen in § 37 Abs. 4 BetrVG und in § 78 Satz 2 BetrVG erreichen. Neue oder zusätzliche Entgeltansprüche werden nicht geschaffen.
II. Gesetzesentwurf der Bundesregierung
Die §§ 37 und 78 BetrVG sollen wie folgt geändert werden:
1. § 37 BetrVG Es ist vorgesehen, den § 37 BetrVG zu ergänzen, indem der Begriff „vergleichbarer Arbeitnehmer“ konkretisiert wird. Maßstab für die Entlohnung wie bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer soll der Zeitpunkt sein, zu dem das Betriebsratsamt übernommen wurde, es sei denn, eine spätere Neubestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer ist sachlich begründet. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kann eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen in einer Betriebsvereinbarung „vergleichbare Arbeitnehmer“ definieren können. Kommt eine solche Betriebsvereinbarung zustande, soll sie künftig nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Gleiches soll für eine anschließende Festlegung der konkreten Vergleichspersonen durch Arbeitgeber und Betriebsrat gelten, wenn sie in Textform festgehalten wird.
Dem § 37 Abs. 4 sollen daher die folgenden Sätze angefügt werden:
„Zur Bestimmung der vergleichbaren Arbeitnehmer nach Satz 1 ist auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes abzustellen, soweit nicht ein sachlicher Grund für eine spätere Neubestimmung vorliegt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; Gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“
2. § 78 BetrVG Die Maßstäbe des Verbots der Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern aus § 78 BetrVG sollen dahingehend konkretisiert werden, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.
Dem § 78 soll folgender Satz angefügt werden:
„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“
III. Wie geht es weiter?
Über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf zur Änderung des BetrVG hat der Bundestag am 22.03.2024 erstmals beraten und das Thema im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Sobald es hierzu Neuigkeiten gibt, werden wir darüber informieren.
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Ein-Blick |
Keine analoge Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG bei Ablehnung der Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit |
BAG, Urteil vom 05.09.2023 – 9 AZR 329/22
Das BAG hat sich in der vorgenannten Entscheidung unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG allein auf Fälle betriebsbedingter Kündigungen beschränkt ist oder auf andere Fälle – wie die Ablehnung einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit – (analog) anwendbar ist.
I. Rechtliche Einordnung
1. Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit
Nach § 15 Abs. 6 BEEG können Arbeitnehmer – unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG – eine Beschäftigung in Teilzeit während der Elternzeit verlangen, sofern dem Anspruch nicht dringende betriebliche Gründe nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG entgegenstehen. Solche entgegenstehenden betrieblichen Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen von erheblichem Gewicht sein und sich als zwingende Hindernisse für die begehrte Elternteilzeit darstellen.
2. Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG
Wird das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers aufgrund vorliegender betrieblicher Gründe gekündigt, muss der Arbeitgeber grundsätzlich das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen (Wegfall des Arbeitsplatzes, keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, ordnungsgemäße Sozialauswahl) darlegen und beweisen.
Sind bei einer Betriebsänderung nach §111 BetrVG Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich namentlich bezeichnet, wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass eine daraufhin ausgesprochene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die Sozialauswahl kann in einem solchen Fall nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Darlegungslast wird mithin zu Lasten des Arbeitnehmers umgekehrt und es wird zu Gunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Voraussetzungen vorliegen.
3. Sicherung des Vergütungsanspruchs durch klageweise Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zugleich der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gesichert wird. Gleiches gilt auch für andere Bestandschutzklagen, die auf eine vertragsgemäße Beschäftigung gerichtet sind, z. B. nach einer unwirksamen Versetzung. In diesen Fällen müssen die Vergütungsansprüche nicht gesondert geltend gemacht werden, um (tarif-)vertragliche Ausschlussfristen zu wahren. Unklar war bislang, ob diese Rechtsprechung auf andere Fälle, in denen vertragsgemäße Beschäftigung verlangt wird, übertragbar ist.
II. Sachverhalt
Die Parteien haben um eine Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit und damit verbundene Entgeltansprüche gestritten. Die beklagte Arbeitgeberin und der bei ihr errichtete Betriebsrat haben einen Interessenausgleich mit Namensliste geschlossen, in dem geregelt war, dass aufgrund von Verlagerungen und Umorganisation mehrere Tätigkeitsbereiche entfallen sollten. Die Tätigkeit des Klägers sollte im ersten Quartal 2020 entfallen. Auf der dem Interessenausgleich beigefügten Namensliste war auch der schwerbehinderte Kläger namentlich benannt. Der Kläger beantragte eine Elternzeit, die im Dezember 2019 beginnen sollte. Zugleich beantragte er die Beschäftigung in Teilzeit (30 Wochenstunden) für die Dauer der Elternzeit. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab und berief sich dabei auf entgegenstehende dringende betriebliche Gründe, ohne diese näher zu konkretisieren. Sie vertrat die Auffassung, dass das Vorliegen der entgegenstehenden betrieblichen Gründe aufgrund des Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet werde. In der Folge wurde der Kläger für die Dauer der zweijährigen Elternzeit nicht beschäftigt und nicht vergütet. Eine Kündigung wurde durch die Beklagte – mangels behördlicher Zustimmung – nicht ausgesprochen.
Mit seiner Klage hat der Kläger Teilzeitbeschäftigung für die Dauer der Elternzeit verlangt, hilfsweise die Zustimmung der Beklagten zu der begehrten Teilzeitbeschäftigung. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger zudem Vergütungsansprüche für die Dauer der Elternzeit geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat ihr weitestgehend stattgegeben.
III. Entscheidung des BAG vom 05.09.2023
Das BAG hat die Revision der Beklagten überwiegend abgewiesen. Es hat festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit begründet ist, weil die von der Beklagten behaupteten entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründe nicht vorlagen. Die Beklagte konnte sich – trotz der namentlichen Nennung des Klägers in der Namensliste – nicht auf die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG berufen.
Die gesetzliche Vermutung sei aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 1 Abs. 5 KSchG auf betriebsbedingte Kündigungen beschränkt, die gegenüber einem im Interessenausgleich namentlich benannten Arbeitnehmer ausgesprochen werden. Unterbleibt der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung, lasse sich die Vorschrift nicht dahin auslegen, dass auch das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Grundes vermutet wird, der einem Teilzeitverlangen entgegengehalten werden kann. Bei § 1 Abs. 5 KSchG handele es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um eine Ausnahmevorschrift, die einer Erstreckung auf andere Sachverhalte nicht zugänglich sei. Mangels planwidriger Regelungslücke scheide auch eine analoge Anwendung der Regelung aus. Zudem seien die beiden Fallkonstellationen nicht vergleichbar. Die dringenden betrieblichen Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 5 KSchG beziehen sich auf den dauerhaften Entfall der Beschäftigungsmöglichkeit. Anders dagegen die betrieblichen Gründe in § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG, die sich auf den Umfang und die Verteilung der Beschäftigung beziehen und nicht auf die Beschäftigung als solche.
Das BAG hat ferner festgestellt, dass der Kläger seine Lohnansprüche durch die Erhebung der Beschäftigungsklage gesichert hat und diese nicht aufgrund tariflicher Ausschlussfristen verfallen sind. Mit dem Zugang der Klage musste die Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger auch die mit der Beschäftigung verbundenen Zahlungsansprüche verfolgt und dass es ihm nicht nur um seine ideelle Beschäftigung geht.
IV. Fazit
Bei § 1 Abs. 5 KSchG handelt es sich um eine absolute Ausnahmevorschrift, die noch nicht einmal auf außerordentliche Kündigungen von Arbeitnehmern mit Sonderkündigungsschutz Anwendung findet. Aufgrund der mit der Vermutungswirkung einhergehenden negativen Folgen für Arbeitnehmer, verbietet sich eine Ausweitung auf andere Fallkonstellationen. Auch die Feststellungen, wonach durch die Erhebung der Klage auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit zugleich Entgeltansprüche geltend gemacht werden, überzeugen. Es ist völlig naheliegend, dass Arbeitnehmer, die eine Beschäftigung während der Elternzeit verlangen auch – wenn nicht sogar vordergründig – die damit verbundene Vergütung geltend machen.
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Betriebsräte |
Auflösung des Betriebsrats wegen einer Vielzahl von betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzungen |
ArbG Elmshorn, Beschluss vom 23.08.2023 – 3 BV 31e/23
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Anforderungen an eine Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Das ArbG Elmshorn hat in einer aktuellen Entscheidung diese Anforderungen für eine Vielzahl von Pflichtverletzungen eines Betriebsrats konkretisiert. Gegenständlich waren im vorliegenden Fall eine ganze Reihe von verschiedenen Pflichtverletzungen, u. a. Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.
I. Sachverhalt
Im vorliegenden Beschlussverfahren stritten sich die Beteiligten vor dem ArbG Elmshorn um die Auflösung des Betriebsrats. Dabei wurde der Auflösungsantrag von der Arbeitgeberin sowie einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt. Die Arbeitgeberin betreibt kommunalen Verkehr in privater Rechtsform mit rund 168 Arbeitnehmern. Für den Betrieb war ein Betriebsrat mit sieben ordentlichen Mitgliedern gewählt. Regelfreistellungen der Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG kamen wegen der Belegschaftsstärke nicht in Betracht.
Die Antragsteller machten in der Sache verschiedene betriebsverfassungsrechtliche Pflichtverletzungen des Betriebsrats geltend, die sich (verkürzt und im Überblick) wie folgt darstellten:
Das Führen eigener, paralleler Personalakten im Betriebsrat neben den Personalakten der Arbeitgeberin.
Das Mitteilen von Gesundheitsdaten zweier Arbeitnehmer in einer Betriebsversammlung.
Durchführung von Bedarfsfreistellungen dergestalt, dass für die anstehenden Freistellungszeiträume nur ganze Tage, keine konkreten Zeiträume genannt wurden. Später wurden Freistellungen von 6:00 Uhr bis 24:00 Uhr mitgeteilt.
Die Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt durch den Betriebsrat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren.
Streitig waren zwischen den Beteiligten zudem zahlreiche, weitere vermeintliche Pflichtverletzungen von Betriebsratsmitgliedern. Darunter u. a. Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzungen, kurzfristig abgesagte Verhandlungsrunden, respektloses Verhalten des Vorsitzenden des Betriebsrats gegenüber dem Geschäftsführer der Arbeitgeberin und wahrheitswidriger Vortrag in einer Einigungsstelle.
Aufgrund dieser Umstände beantragte die Arbeitgeberin die Auflösung des Betriebsrats, hilfsweise den Ausschluss sämtlicher Betriebsratsmitglieder aus dem Betriebsrat. Ein Viertel der Arbeitnehmer des Betriebs stellten identische Anträge. Das ArbG beschloss die Auflösung des Betriebsrats.
II. Entscheidung
Das ArbG Elmshorn prüfte vor dem Hintergrund der Anträge das Vorliegen von Auflösungsgründen gegenüber dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sowie hilfsweise einen Ausschluss aller Mitglieder des Betriebsrats aus ihrem Amt. Das ArbG Elmshorn gab dem Hauptantrag zur Auflösung des Betriebsrats statt, so dass die hilfsweise gestellten Anträge auf Ausschluss der Mitglieder nicht mehr zur Entscheidung anfielen.
Das ArbG Elmshorn bezog sich dabei im Ausgangspunkt zunächst auf die grundsätzliche Rechtsprechung zu § 23 Abs. 1 BetrVG. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG liegt ein zur Auflösung des Betriebsrats führender, grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Die Auflösung setzt voraus, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses für den Pflichtverstoß die weitere Amtsausübung des Betriebsrats als untragbar erscheint. Ein Verschulden ist dabei nach dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 BetrVG nicht erforderlich.
Soll der Betriebsrat als Ganzes aufgelöst werden, reicht die Verletzung von gesetzlichen Pflichten nach dem BetrVG durch einzelne Mitglieder hierfür grundsätzlich nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ. Allerdings kann eine solche Pflichtverletzung des Organs auch in Fällen in Betracht kommen, wenn der Betriebsrat gesetzeswidrige Verhaltensweisen einzelner Mitglieder oder seiner Ausschüsse billigt bzw. unterstützt.
Im vorliegenden Fall nahm das ArbG Elmshorn an, dass die weitere Amtsführung des Betriebsrats der Arbeitgeberin und der gesamten Belegschaft unzumutbar sei. Dies ergab sich nach Ansicht des ArbG Elmshorn aus einer Gesamtbewertung der verschiedenen Pflichtverletzungen, wobei hauptsächlich entscheidend die falsche eidesstattliche Versicherung, die „extensive“ Freistellung der Mitglieder von der Arbeitsleistung sowie die umfassende Datenerfassung durch den Betriebsrat seien. Diese seien auch dem Betriebsrat als Organ zurechenbar. Der Aspekt einer solchen Gesamtbewertung von verschiedenartigen Pflichtverletzungen eines Betriebsrats war die Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation.
III. Rechtliche Bewertung
Das ArbG Elmshorn orientiert sich bei der Prüfung einer Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG weitgehend an bekannten Grundsätzen. Dies betrifft die Maßstäbe für die Auflösung des Betriebsrats sowie die Anforderungen an die Art der betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzungen. Die entsprechenden Vorgaben des BAG werden vom ArbG Elmshorn sauber zusammengefasst.
Neu ist an dem Beschluss des ArbG Elmshorn, dass die Auflösung des Betriebsrats nach seiner Ansicht nicht nur für den Fall eines einzelnen, groben Pflichtenverstoßes des Gremiums beantragt werden kann, sondern eine derartige Auflösung auch im Falle einer zusammenfassenden Gesamtbetrachtung verschiedenartiger Pflichtverletzungen gegen gesetzliche Bestimmungen möglich sein soll.
Diese Auffassung dürfte gut vertretbar sein, da auch das ArbG Elmshorn davon ausgeht, dass eine grobe Pflichtverletzung, die zur Auflösung des Betriebsrats führen soll, objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend sein muss. Nur kann sich eine solche grobe Pflichtverletzung eben auch als „Gesamtbild“ aus einzelnen Pflichtverletzungen ergeben. Würde man dies anders sehen, würde ein Betriebsrat, der viele „kleinere“ Verstöße anhäuft, bessergestellt als jener, der einen „großen“ Verstoß begeht. Dies leuchtet nicht ein, zumal beide Varianten zu einer Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit führen können. Dies bleibt aber stets eine Bewertung des Einzelfalles!
Was die konkreten Verstöße angeht, sticht insbesondere das Führen eigener Personalakten im Betriebsrat über die Arbeitnehmer sowie die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im vorliegenden Fall hervor. Ersteres verstößt nicht erst seit Inkrafttreten der DS-GVO gegen die Pflicht des Betriebsrats zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen, welche heute in § 79a BetrVG ausdrücklich angesprochen ist (vgl. dazu z. B. bereits LAG Hamburg vom 26.11.2009 - 7 TaBV 2/09 – keine Berechtigung des Betriebsrats zur Führung eigener Personalakten). Die Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im Rahmen von einstweiligen Verfügungsverfahren wiederum ist sowohl bei vorsätzlicher wie auch fahrlässiger Begehung strafbar nach §§ 156, 161 StGB.
IV. Fazit
Die Entscheidung macht auf tatsächlicher Ebene sehr deutlich, welche Ausmaße ein gestörtes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat annehmen kann. Dieses gestörte Verhältnis darf man für den vorliegenden Fall wohl unterstellen, betrachtet man die zahlreichen Konfliktstellen im Betrieb zwischen den dortigen Betriebsparteien - und wohl auch zwischen Teilen der Belegschaft und dem Betriebsrat.
Betriebsräte sind schon unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG stets gut beraten, darauf zu achten, dass ihr Handeln den betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Selbst dann, wenn der Arbeitgeber seinerseits nicht „fair spielt“, sollte der Betriebsrat stets auf seine legalen Rechtsschutzmöglichkeiten zurückgreifen, um Verstöße zu unterbinden. Nahezu sämtliche Rechte des Betriebsrats können problemlos durch die Einleitung von Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten sowie die Anrufung einer Einigungsstelle gesichert werden. Die gut vorbereitete Nutzung dieser legitimen rechtlichen Möglichkeiten bei wahrheitsgemäßer Darstellung des jeweiligen Sachverhaltes vermag der Arbeitgeber nicht mit einem Antrag nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu „sanktionieren“.
Die Entscheidung macht zudem deutlich, dass strafbare Handlungen während der Ausübung des Betriebsratsamtes erhebliche Angriffsflächen für den Arbeitgeber bieten und (nicht nur) deshalb zu unterlassen sind.
Gegen den Beschluss des ArbG Elmshorn hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Diese ist derzeit beim LAG Schleswig-Holstein unter dem Aktenzeichen 5 TaBV 16/23 anhängig.
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BetriebsräteKurzüberblick über Entscheidungen |
Arbeitgeber muss auch bei inhaltsgleichem Online-Seminar die Zusatzkosten für das Präsenzseminar übernehme BAG, Beschluss vom 07.02.2024 – 7 ABR 8/23
Die Betriebsparteien stritten um die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein Präsenzseminar, das von dem Seminaranbieter inhalts- und zeitgleich auch als Online-Seminar angeboten wurde.
Das BAG entschied, dass ein inhaltsgleiches Online-Seminar die Erforderlichkeit der im Rahmen eines Präsenzseminars anfallenden Übernachtungs- und Verpflegungskosten nicht von vornherein ausschließt. Der Beurteilungsspielraum des Betriebsrates, zu welchen Schulungen er seine Mitglieder entsenden will, umfasst grundsätzlich auch das Schulungsformat, d. h. die Frage, ob das Seminar als Präsenz- oder Online-Seminar besucht werden soll.
Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme – keine Mitbestimmung des Betriebsrates ArbG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24
Der Betriebsrat hat hinsichtlich der Vorgaben des Arbeitgebers zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme kein Mitbestimmungsrecht.
Macht der Arbeitgeber Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme durch die Mitarbeiter, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht verletzt. Die diesbezüglichen Vorgaben des Arbeitgebers beziehen sich auf das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten und nicht auf das Ordnungsverhalten i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Bei ChatGPT handelt es sich um ein neues Arbeitsmittel, welches der Arbeitgeber den Arbeitnehmern unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellt. Entsprechende Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen. Deshalb besteht kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ergibt sich auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, da ChatGPT und vergleichbare Konkurrenzprodukte keine technische Einrichtung i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sind. Um eine solche handelt es sich lediglich bei dem Browser, der den Aufruf der Website von ChatGPT ermöglicht.
Fristlose Kündigung eines Mitglieds des Wahlvorstandes bei Weiterleitung an private E-Mail-Adresse ArbG Mannheim, Urteil vom 01.08.2023 - 5 Ca 101/23
Die Weiterleitung der zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl in einer Wählerliste gesammelten personenbezogenen Daten sämtlicher wahlberechtigter Mitarbeiter (im konkreten Fall über 542 Mitarbeiter) durch ein Wahlvorstandsmitglied an eine private E-Mail-Adresse kann zur außerordentlichen Kündigung des Wahlvorstandsmitglieds führen. Die Weiterleitung stellt einen derart schwerwiegenden Pflichtenverstoß dar, dass dadurch das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber irreparabel zerstört wird. Bei der Speicherung auf einem dem Arbeitgeber unbekannten Medium werden die Daten dem Schutz und der Kontrolle des Arbeitgebers, der für den sorgsamen Umgang mit diesen Daten verantwortlich ist, entzogen. Eine vorherige Abmahnung ist in diesem Fall nicht erforderlich. |
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Arbeitnehmer |
Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit |
LAG Nürnberg Urteil vom 06.06.2023 – 7 Sa 275/22
Die Parteien stritten im Kern um die Frage, ob Wege-, Umkleide- und Waschzeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind. Für Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten ist dieses schon positiv vom BAG entschieden worden. Ob auch Körperreinigungszeiten als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen sind oder ob es sich dabei um private Tätigkeiten innerhalb des Betriebs handelt, ist hingegen höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt und war vorliegend vom LAG Nürnberg zu beurteilen.
I. Sachverhalt
Der klagende Arbeitnehmer ist bei der beklagten Arbeitgeberin als Containermechaniker beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Reinigungsgewerbes in Bayern in ihrer jeweils gültigen Fassung. Zu Beginn seines Arbeitstages betritt der Kläger das Gelände und begibt sich zu dem Gebäude, in dem sich die Umkleide, der Zeiterfassungsterminal und sein Arbeitsplatz befindet. Er geht in die Umkleide, wo er die von der Beklagten bereitgestellte Schutzkleidung anzieht. Anschließend geht er zum Zeiterfassungsterminal, wo er den Beginn seines Arbeitstages selbst eingibt. Dann nimmt er die Arbeit auf, bei dessen Verrichtung er auch z. T. sehr schmutzig wird. Nach der Arbeit geht er zurück zur Umkleide. Dort wäscht und/oder duscht er sich. Weisungsgemäß lässt er die verunreinigte Arbeitskleidung zur Reinigung im Betrieb. Dann verlässt er den Betrieb. Am Zeiterfassungsterminal gibt er wieder selbst das Ende seiner Arbeitszeit ein. Es ist unstreitig, dass der Kläger bei Eingabe der Arbeitszeit am Zeiterfassungsterminal die Umkleide- und Reinigungszeiten nicht erfassen soll. Der Kläger begehrte die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung von 55 Minuten arbeitstäglich für Wege-, Umkleide- und Körperreinigungszeiten.
II. Entscheidung
Das LAG Nürnberg entschied, dass dem Kläger für die Vergangenheit Vergütungsansprüche zustehen. Die Vergütungspflicht ergebe sich gemäß der Rspr. des BAG aus § 611a Abs. 2 BGB.
Dieses gelte vorliegend für die Umkleidezeiten. Denn die Arbeitgeberin stellt dem Kläger eine bestimmte Schutzkleidung zur Verfügung, die er während der Erbringung der Arbeitsleistung tragen muss. Der Kläger müsse vor Arbeitsaufnahme die Umkleide aufsuchen, um die Schutzkleidung dort anziehen und am Ende des Arbeitstages diese aufsuchen, um die Schutzkleidung zur Reinigung abgeben.
Die innerbetrieblichen Wegezeiten seien vergütungspflichtige Arbeitszeit, weil sie dadurch veranlasst seien, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle eingerichtet hat, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss.
Schließlich handle es sich auch bei den Körperreinigungszeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit. Unstreitig erledige der Kläger auf Weisung der Beklagten Arbeiten, die mit einer erheblichen Verschmutzung seines Körpers einhergehen. Es sei nicht zumutbar, dass der Kläger in diesem Verunreinigungszustand seine private Kleidung anziehe. Die Körperreinigung sei damit notwendiger Bestandteil der vom Kläger geschuldeten Arbeit und daher fremdnützig.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das LAG Nürnberg hat die Revision zum BAG zugelassen. Diese ist anhängig mit dem Aktenzeichen 5 AZR 212/23.
III. Praxishinweis
Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne erfasst die Dauer der täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit, für die der Arbeitnehmer eine Vergütung erhält. Damit ist jede Tätigkeit erfasst, die als solche der Befriedigung fremder Bedürfnisse dient.
Wege-, Umkleide- und Duschzeiten können danach grundsätzlich vergütungsrechtliche Arbeitszeit darstellen. Ob dies auf das konkrete Arbeitsverhältnis zutrifft, ist dann anhand der konkreten Sachlage zu prüfen.
Umkleidezeiten sind nach der Rspr. des BAG im Arbeitgeberinteresse, also aus Sicht des Arbeitnehmers fremdnützig, wenn die Arbeitgeberin vorschreibt, dass die Dienstkleidung im Betrieb an- und abgelegt werden muss. Dies gilt insbesondere für Schutzausrüstung. Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege, die dadurch veranlasst sind, dass die Arbeitgeberin das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss, zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit.
Bei der Frage, ob Körperreinigungszeiten ebenfalls als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen sind, kann es im Sinne der Rspr. des BAG ebenfalls nur darauf ankommen, ob die Zeit zum Reinigen des Körpers nicht nur dazu dient, dass der Arbeitnehmer sauber nach Hause kommt, sondern sich als überwiegend oder ausschließlich fremdnützig darstellt. Letzteres dürfte jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn es um Körperreinigungszeit geht, die aufgewendet werden muss, weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt.
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ArbeitnehmerKurzüberblick über Entscheidungen |
Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen BAG, Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23
Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines gekündigten Arbeitnehmers erschüttern kann, wenn er tatsächliche Umstände darlegen und ggf. beweisen kann, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben.
Entgegen der Auffassung des LAG Niedersachsen im Urteil vom 08.03.2023 (ausführlich besprochen im Newsletter 2-2023) ist solch ein Anlass zu ernsthaften Zweifeln nach der Ansicht des BAG dann gegeben, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in zeitlicher Hinsicht passgenau die Kündigungsfrist abdeckt und der Arbeitnehmer unmittelbar nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.
Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer zur Geltendmachung seines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG dann darlegen und beweisen muss, dass bei ihm in dem Zeitraum tatsächlich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorlag.
Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Abrufarbeit ohne vertragliche Festlegung BAG, Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, ohne die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festzulegen, gilt gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG grundsätzlich eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart.
Eine davon abweichende wöchentliche Arbeitszeit kann in solchen Fällen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach der Entscheidung des BAG nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien bei Vertragsschluss eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit übereinstimmend gewollt hätten.
Allein der Umstand, dass ein Arbeitgeber einen „Abruf-Arbeitnehmer“ ohne vertragliche Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit in unterschiedlichem Umfang zur Arbeit heranzieht oder der Arbeitnehmer mehr Arbeit leistet, rechtfertigt nach der Ansicht des BAG keinen Rückschluss auf den mutmaßlichen Willen der Parteien, dass übereinstimmend und dauerhaft eine abweichende wöchentliche Arbeitszeit gewollt war.
Kein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit – Arbeitnehmer können verpflichtet sein, dienstliche SMS in der Freizeit zu lesen BAG, Urteil vom 23.08.2023 – 5 AZR 349/22
Das BAG hat die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 27.09.2022 – 1 Sa 39 öD/22 (ausführlich dargestellt im Newsletter 1-2023) aufgehoben und entschieden, dass Arbeitnehmer im Rahmen der aus § 241 Abs. 2 BGB folgenden Nebenpflichten auch außerhalb ihrer Arbeitszeit dazu verpflichtet sein können, dienstliche SMS zu lesen. Voraussetzung für eine solche Verpflichtung des Arbeitnehmers ist aber, dass es sich um eine leistungssichernde Nebenpflicht handelt.
Eine solche Nebenpflicht, die auch in den Freizeitbereich hineinwirkt, kann beispielsweise aus einer Betriebsvereinbarung folgen. Das BAG hat eine solche Nebenpflicht nun für eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung bejaht, nach der die genaue Schichtplanung eines Arbeitnehmers noch bis 20:00 Uhr des Vortages vor Dienstbeginn konkretisiert werden kann. Dies beinhaltet nach der Ansicht des BAG, dass der Arbeitnehmer damit rechnen muss, eine konkretisierende Weisung für den Folgetag zu erhalten und diese auch in seiner Freizeit zur Kenntnis nehmen muss.
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Kilian Lönneker |
Oldenburg |
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Veröffentlichungen |
Dr. Michael Bachner (Hrsg.), Peter Gerhardt, Hajo A. Köhler, Michael Merzhäuser, Dr. Alexander Metz, Simone Rohs, Anna-Lena Trümner, Katharina Warczinski BetrVG für den Betriebsrat, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Bund Verlag, 5. aktualisierte Auflage 2024 (erscheint vsl. Mai 2024)
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Peter Berg Däubler/Klebe/Wedde (Hrsg.), Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar für die Praxis, 19. Auflage 2024 (Kommentierung der §§ 2, 42-46, 74-77, 88) Datenschutz – was gilt für den Wahlvorstand? in: Computer und Arbeit 2024, S. 26 (Personalratswahlen) Neues zum Arbeitskampfrecht in: Arbeit und Recht 2024, S. 67
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Ariane Mandalka Abmahnung - Ratgeber für Beschäftigte und ihre Interessenvertretung Bund Verlag, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage 2024
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Katharina Warczinski LAG Mecklenburg-Vorpommern: Eingruppierung unter Berufung auf ein Heraushebungsmerkmal – Sachbearbeiterin in der Bauaufsicht, in: öAT – Zeitschrift für das öffentliche Arbeits- und Tarifrecht 2024, S. 18
Die Zeitschriftenbeiträge können über die Autoren unter ihrer E-Mail-Adresse angefordert werden. |
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Lorenz Schwegler* Felix Laumen* Yvonne Reinartz* Dr. Michael Schwegler* Dr. Alexander Metz, LL.M.*
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Peter Berg Dr. Herbert Grimberg Christian Mertens Stefan Dieker Simone Rohs
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Michael Merzhäuser* Heike Merzhäuser* Dr. Sascha Lerch* Dr. Lars Weinbrenner* Patrick Kessler* Hans-Otto Umlandt |
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Dario Dell’Anna Sebastian Kolb Katharina Warczinski Dr. Nicolai Culik Elisa Leipold Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin |
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Dr. Michael Bachner* Peter Gerhardt* Ariane Mandalka
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Hajo A. Köhler* Ralf Trümner* Jürgen Oehlmann Anna-Lena Trümner Kilian Lönneker |
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Dr. Michael Schwegler* (Zweigstelle) Michael Merzhäuser* (Zweigstelle) Dominik Heidinger
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Wissenschaftliche Berater:
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Prof. Dr. Wolfgang Däubler Prof. Dr. Bernhard Nagel |
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